Tiermedizin und Empathie

Tiermedizin ist ein begehrtes Studienfach, das später vielfältige Arbeitsmöglichkeiten bietet. Dazu gehört nicht nur die Praxis des Tierarztes, dem die Besitzer von  Haustieren ihre kranken Tiere bringen. Wie ich kürzlich las, fällt auch der Bereich der Lebensmittelhygiene in die Verantwortung von hierfür ausgebildeten Tierärzten. Demnach kontrollieren sie die Hygienebedingungen in Schlachthöfen oder bei Viehtransporten, wozu auch Fleischuntersuchungen gehören.

Wenn ich daran denke, wie viel Leid und Qual für die Tiere mit der Fleischerzeugung verbunden ist, dann frage ich mich, welche ethische Einstellung zum Tier haben die daran beteiligten Tiermediziner? Die gleiche Frage stellt sich, wenn man an die Tiermediziner denkt, die in der pharmazeutischen Industrie an furchtbaren Tierversuchen mitwirken. Wo ist ihre Empathie Tieren gegenüber, ihr Mitgefühl mit dem Leid der Tiere? Ich vermute, es mangelt ihnen daran, denn sonst könnten sie sich an dieser schrecklichen Nutzung von Tieren  nicht beteiligen.

Sicherlich wissen Tiermediziner mehr über Körper und Krankheit von Tieren als die meisten Tierschützer. Aber ist das nicht nur ein materielles Wissen, bei dem die Tiere nur als Summe ihrer Körperteile verstanden werden, und das vor allem dazu dient, Tiere optimal nutzen zu können?  Jeder Tierfreund, der ein enges Verhältnis zu Tieren hat, weiß früher oder später, dass Tiere ein nichtmaterielles Seelenleben haben. Ihre Erkenntnis, was Tiere wirklich sind, kommt nicht aus akademischen Hörsälen, es kommt aus dem Herzen. Entscheidend ist die Fähigkeit zum Mitleid.

Mitleid ist Ausdruck von Empathie und – wie Arthur Schopenhauer in seiner Philosophie tief begründet darlegte – die Basis der Ethik. Die Fähigkeit zur Empathie, zum Mitleid,  ist, wie Schopenhauer ebenfalls begründete, im Charakter angelegt. Die Universitätsausbildung, selbst wenn sie Vorlesungen über Ethik einschließt, kann nichts wesentliches am Charakter ändern, denn dieser ist weitgehend angeboren bzw. wird in frühster Jugend geprägt.

Ein Tiermediziner, dem es – bedingt durch seine Charakteranlagen – an Empathie gegenüber Tieren fehlt, ist ein Unglück für die Tiere. Ebenso wenig wie  Ethik und damit auch Tierethik kann Empathie durch bloßes Studium oder durch andere Formen von intellektueller Bildung vermittelt werden. Viele Menschen  haben zwar keine akademische Ausbildung in Tiermedizin, haben aber dennoch ein Herz für Tiere.

Im übrigen halte ich das Engagement der „Ärzte gegen Tierversuche“ für ein sehr ermutigendes Zeichen. Hierzu hoffe ich, dass sich daran viele Tiermediziner beteiligen und so meine Zweifel an der Ethik dieses Berufsstandes durch die Praxis weitgehend ausgeräumt werden.
hb

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