Religionsfreiheit statt Tierschutz

Darf Religion sich über den Tierschutz hinwegsetzen und Tiere quälen? Gilt für Religionen nicht das Tierschutzgesetz? Um diese Frage geht es in einem aktuellen Beispiel, über das die „Berliner Zeitung” (v. 3.11.2011) berichtete:

“ Der Türkische Bund verurteilt eine … angekündigte Aktion von Tierschützern, die vor der Sehitlik-Moschee in Neukölln gegen das Ritual des betäubungslosen Schächtens von Schafen protestieren wollen. Dabei werde ein ,,als Moslem verkleideter Tierschützer“ symbolisch ein Schaf töten und ausbluten lassen, kündigt der Arbeitskreis humaner Tierschutz an.

Der Türkische Bund hält die Aktion für ,´unglücklich und unreflektiert `, sagt Vorstandssprecher Serdar Yazar. ,´ Das könnte antimuslimischen Rassismus schüren und zu einer Stigmatisierung des Islams führen.` Yazar sagte auch, dass es sehr schwierig sei, zwischen Religion und Tierschutz abzuwägen. Die Tierschützer wollen darauf hinweisen, dass das betäubungslose Schlachten von Schafen (Schächten) Tierquälerei sei. Die Tiere würden mit durchtrenntem Hals, aber bei vollem Bewusstsein immer wieder versuchen, aufzustehen und in Panik zu fliehen.

Die Aktion der Tierschützer findet wenige Tage vor dem Opferfest statt, einem der bedeutendsten religiösen Festtage des Islam. In Deutschland ist das betäubungslose Töten verboten, wegen des im Grundgesetz verankerten Rechts auf ungestörte Religionsausübung sind aber Ausnahmen möglich.“

Seit 2002 ist der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Da aber durch das Grundgesetz auch die ungestörte Religionsausübung geschützt wird, muss zwischen beiden Bestimmungen abgewogen werden. Am Beispiel des Schächtens zeigt sich, was der verfassungsrechtlich scheinbar abgesicherte Schutz der Tiere wirklich wert ist. Allein schon die Tatsache, dass Ausnahmen zugelassen werden, ist ein Beweis für den geringen Stellenwert, den der Tierschutz in unserer Rechtsordnung hat. Jede Ausnahme vom Schächtverbot ist eine Ausnahme zu viel, denn jedes Tier, welches das Pech hat, zu diesen Ausnahmen zu gehören, erleidet einen sehr qualvollen Tod!

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Tierethik und Religion : Ahimsa und Jainismus

Das Verhältnis der bei uns vorherrschenden Religionen zur Tierethik ist für alle, die ein Herz für Tiere haben, ein trauriges Kapitel. Umso erfreulicher finde ich, dass es eine Religion gibt, in der Tierethik von zentraler Bedeutung ist, nämlich den Jainismus. Obwohl eine der ältesten Religionen der Welt, ist er in Deutschland bisher  nur wenig bekannt. Was den aus Indien stammenden Jainismus aus meiner Sicht besonders auszeichnet, ist die Tatsache, dass er seit Jahrtausenden eine Ethik lehrt und praktiziert, bei der alle  Lebewesen und somit auch Tiere geschont und geachtet werden. Seine Ethik steht unter dem Leitwort AHIMSA . Dieses Sanskritwort bedeutet Gewaltlosigkeit. Es bezeichnet ein Ideal, das in den indischen Religionen, vor allem aber im Jainismus, tief verankert ist.

Schon lange beschäftigt mich die Frage, inwieweit das hohe ethische Ziel der Gewaltlosigkeit, also die AHIMSA, in unserer Welt verwirklicht werden kann. In diesem Zusammenhang interessiert mich als herausragendes Beispiel der Jainismus. Als ich dazu kürzlich meine Unterlagen durchsah, stieß ich auf ein Info-Blatt, das zu einem Vortrag verteilt wurde. Das Thema des Vortrages, bei dem Tierethik ein Schwerpunkt war, lautete 2800 Jahre Jainismus  – Die Religion der Gewaltlosigkeit (AHIMSA). In diesem Vortrag (von Herbert Becker 1989 in der Volkshochschule Berlin-Steglitz)  wurde der Jainismus als eine Religion vorgestellt, die sich schon vor 2800 Jahren in Indien konsequent für die AHIMSA einsetzte.

Da im Jainismus die AHIMSA selbstverständlich auch Tieren gegenüber gilt, sind die Jainas Vegetarier, viele wahrscheinlich sogar Veganer. Die Einstellung des Jainismus zur Gewaltlosigkeit kommt meiner Meinung nach sehr eindrucksvoll in dem oben erwähnten Info-Blatt zum Ausdruck, denn dort sind aus den Schriften der Jainas Worte zur AHIMSA zitiert:

„Die Ursachen für die Gewalt in der Welt sollten wir nicht außerhalb von uns, sondern in uns selbst suchen.

Dass für alle Wesen Liebe ich empfinde,
Mitgefühl mit denen, die voll Leid auf Erden,
Dass mich stete Nachsicht Irrenden verbinde,
Herr, das wolle geben, Herr, so lass mich werden.

Geradeso wie ich Leid und Furcht empfinde, wenn ich mit einem Stock bedroht, geschlagen oder getötet werde, ja, wenn mir auch nur ein Haar ausgerissen wird – ebenso empfinden alle anderen Lebewesen Leid und Furcht, wenn sie mit einem Stock bedroht, geschlagen oder getötet werden, ja, wenn ihnen auch nur ein Haar
ausgerissen wird. wenn man dies erkannt hat, so steht es fest, dass weder ein höheres noch ein niederes Wesen bedroht, geschlagen oder getötet werden darf.

Ob man Wesen durch eigenes Tun tötet oder sie durch andere töten lässt oder dem zustimmt, der sie tötet – stets fördert man das, was einem feind ist.

Wer das Fleisch anderer Lebewesen isst. dessen Verehrung der AHlMSA ist in Wahrheit scheinheilig. Es ist sehr überraschend, große Reden über Moral, Harmonie und Brüderschaft von denen zu hören, welche die Nöte der stummen Kreatur vergessen und dabei deren Fleisch mit Wohlgeschmack und Zufriedenheit genießen.

Alle Heiligen und Ehrwürdigen in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft, sie alle sagen so: Kein Wesen darf man töten, noch misshandeln, noch beschimpfen, noch verfolgen. Das ist das reine, ewig beständige Religionsgebot, das von den Weisen, die die Welt verstehen, verkündet wird.

Alles als eins mit sich selbst zu sehen – das ist AHIMSA .“

Obige Zitate zeigen, wie sehr der Jainismus mit seinem Bekenntnis zur AHIMSA eine zutiefst ethische Religion ist. Hierbei ist diese Religion in ihrer praktizierten Tierethik sogar noch konsequenter als der ihr nah verwandte Buddhismus. So ist der Jainismus, zumindest was seine in Wort und Tat vertretene Tierethik angeht, im Vergleich zu anderen Religionen unübertroffen und bis heute einmalig. Die von den Jainas in Indien betriebenen bzw. unterstützten Tierkrankenhäuser sind Beweise dafür, dass im Jainismus Tierethik nicht nur eine Theorie und die AHIMSA nicht bloß ein frommer Wunsch ist, sondern Realität.

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