Bemerkenswert

Jainismus – die vegane Religion

Wer vegan lebt und sich an einer in unserer Gesellschaft vorherrschenden Religionen gebunden fühlt, hat es schwer. Keine dieser Religionen unterstützt die vegane Lebensweise. Bestenfalls wird sie dort toleriert. Hingegen in den vor mehr als 2500 Jahren in Indien entstandenen Religionen, nämlich im Buddhismus, Jainismus und teilweise im Hinduismus, ist es völlig anders. Das gilt besonders für den Jainismus – einer Religion, die dem Buddhismus nahe steht, aber noch erheblich älter als dieser ist. Sie gehört zu den ältesten heute noch bestehenden Religionen der Welt. Vor allem in ihrer Ethik ist die Jaina-Religion beispiellos, denn sie schließt, und zwar noch konsequenter als die des Buddhismus, die Tiere voll mit ein.

Im Mittelpunkt ihrer Ethik steht bei den Jainas die Ahimsa, was wörtlich übersetzt Gewaltlosigkeit heißt, wobei diese sich ausdrücklich auf alles Leben bezieht. Dementsprechend setzen sich die Jainas seit Jahrtausenden in Wort und Tat für den Tierschutz und Vegetarismus ein. Jedoch im Hinblick auf neuere Entwicklungen – wie zum Beispiel die abscheuliche industrielle Massentierhaltung – wird bei den Jainas die Frage immer dringender, ob die vegetarische Lebensweise noch ausreicht, um ihrem ethischen Grundsatz der Gewaltlosigkeit zu entsprechen. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist ein Beitrag des früheren Präsidenten der Federation of Jain Association in North Americaa auf deren Website.

Sein sehr aufschlussreicher Beitrag beginnt mit einem Zitat aus einem alten Jaina-Text (Acharanga-Sutra), der die Grundlage der Lehre des Jainismus enthält , in dem es heißt: Alle lebenden, fühlenden Kreaturen sollten nicht getötet, nicht mit Gewalt behandelt, nicht missbraucht, gequält oder vertrieben werden.

Sehr überzeugend ist in dem Beitrag begründet, dass nicht nur das Fleisch, sondern auch die Milch (wie wohl jedes zum menschlichen Konsum bestimmte Tiererzeugnis) ein Produkt von Gewalt ist. Völlig zu Recht wird dort darauf hingewiesen, dass die Fleisch- und Milchindustrie untrennbar miteinander verbunden, ja dass sie zwei Seiten derselben gewalttätigen Medaille sind: Die Rindfleischkosten würden, wie der Verfasser durchaus zutreffend meint, durch den Verkauf von Milch und Leder subventioniert. Alle Tiere in einem Milchviehbetrieb seien für das Schlachthaus vorbestimmt.

Der Autor, der für die Beurteilung von Lehre und Praxis des Jainismus sehr kompetent ist und der Jaina-Gemeinschaft an prominenter Stelle angehört, schliesst seinen bemerkenswerten Beitrag mit der Erkenntnis: Es gibt keine andere Religion oder Philosophie, die der Jaina-Philosophie der Gewaltlosigkeit so nahe kommt wie der ethische Veganismus.

Jainismus : Logo

Das obige Logo, das auf einem Briefbogen der bereits erwähnten Jaina-Gemeinschaft steht, enthält das Motto:

Live and Let LiveLeben und leben lassen.

Dieses Motto ist ein gut gemeinter Spruch, der jedoch ohne vegane Lebensweise nicht zu verwirklichen ist. Die Jainas scheinen sich dessen immer deutlicher bewusst zu werden. Deshalb ist es verständlich, wenn der Verfasser des obigen Beitrags meint, dass Jainismus und Veganismus nicht nur ähnlich seien, sondern sich einander ergänzen. Insbesondere im Hinblick auf die Ethik der Gewaltlosigkeit ist das sicher zutreffend.

H.B.

Der vollständige o. g. Beitrag ist in seiner originalen englischen Fassung > hier archiviert.

Weiteres > Der Jainismus – die Tierschutz-Religion

S. auch ausführliche Darstellung :
Herbert Becker , Buddhismus und Jainismus – die Religionen der Ahimsa ,
in: Zurück zur Natur-Religion ? Wege zur Ehrfurcht vor allem Leben,
hrsg. von Holger Schleip, Freiburg i. Brsg. 1986, S. 178-202 ( Auszug > hier ).

> Überblick zu den Blogthemen .

Christentum , Buddhismus und die Tiere

Hühnerbaron. Im Auftrag des Herrn. Unter dieser Überschrift wurde einer der größten Geflügelzüchter Deutschlands, Chef von  “Wiesenhof”, in der “Berliner Zeitung” (31.08.2011) vorgestellt. Hierzu wurde auf einen kritischen ARD-Beitrag mit dem Untertitel “Wie ein Geflügelkonzern Tiere, Menschen und Umwelt ausbeutet” verwiesen.

Es ist klar, dass sich der Firmenchef gegen solchen “rufschädigenden” Titel zur Wehr setzte. Aufschlussreich  ist dabei seine Behauptung, dass er als gläubiger Christ der Bibel folge, und dort stehe ja, dass der Mensch sich die Erde untertan machen und über die Tiere herrschen solle. Der Zeitungskommentar wies hierzu darauf hin, dass die Wiesenhofgruppe 2010 einen Gesamtumsatz von fast zwei Milliarden (!) Euro erwirtschaftet und somit der Massentierhalter seinen “göttlichen Auftrag” erfüllt habe.

Nicht nur Christen fragen sich: Werden Massentierhaltung und andere Formen von ökonomischer Tierquälerei tatsächlich durch die Bibel legitimiert? Schon vor mehr als 150 Jahren  meinte > Arthur Schopenhauer , dass die Rechtlosigkeit der Tiere im Alten Testament ihren Ursprung habe. Sie sei eine Folge der biblischen Schöpfungsgeschichte, “nach welcher der Schöpfer, Kap. 1 und 9 der Genesis,  sämtliche Tiere, ganz wie Sachen … dem Menschen übergibt, damit er über sie  herrsche, also mit ihnen tue was ihm beliebt”).

Besonders am Christentum orientierte Tierschützer versuchen mitunter durch abwegige, ja absurde Interpretationen des Alten Testaments oder durch Hinweis auf das Neue Testament die Bibel zu verteidigen und so auch für jene Menschen annehmbar zu machen, die ein Herz für Tiere haben. Was das neue Testament angeht, so hat Holger Schleip in der von ihm herausgegeben Beitragssammlung ”Zurück zur Natur-Religion? Wege zur Erfurcht vor allem Leben” (S. 20 f.) eine interessante Frage beantwortet, nämlich: “Gibt es Hinweise, dass Jesus sich auch der Leiden der Tiere annahm?”.

Die Antwort, die Holger Schleip dazu im Neuen Testament fand:
“In den Evangelien finden sich Berichte nur über eine Heilung, in der Tiere eine wesentliche Rolle spielen (Matthäus8 , Markus 5, Lukas8). Es handelt sich dabei um eine Herde offenbar gesunder Schweine, die zufällig in der Nähe weideten, als Jesus sich zur Heilung eines besessenen Menschen entschloss. Auf Bitten der `bösen Geister` trieb er diese nicht einfach aus dem Menschen aus , sondern er ließ sie in die Schweine fahren, die sich daraufhin ins Meer stürzten und ertranken – zweitausend Schweine, wie Markus sachlich erläutert … Eine zeitentsprechende Parallele zu Tierversuchen der heutigen Medizin?”

In völligem Gegensatz zu dieser im Grunde tierverachtenden Einstellung der Bibel steht der > Buddhismus und der ihm verwandte > Jainismus . Das geht jedenfalls aus diesem Buch hervor, und zwar aus dem Beitrag von Herbert Becker ” Buddhismus und Jainismus . Die Religionen der Ahimsa”: Das Sanskritwort Ahimsa werde, wie der Beitrag erläutert, oft mit Gewaltlosigkeit übersetzt. Jedoch sei Ahimsa weit mehr als nur  Verzicht  auf Gewalt. Vielmehr bedeute es “eine positive, ja liebevolle Gesinnung allem Leben gegenüber”. So hätten  Buddhismus und Jainismus “seit Jahrtausenden in Wort und Tat oft bewiesen, wie sehr sie sich für die Achtung und den Schutz allen Lebens einsetzen”. Als ein Beispiel von vielen erwähnt Herbert Becker in seinem Beitrag einen heiligen Mann, der im 3. vorchristlichen Jahrhundert in Ceylon (Sri Lanka) lebte, also zu einer Zeit, als auf dieser Insel der Buddhismus zu einer einflussreichen Religion wurde. Ganz im Sinne des Buddhismus, ja auch des Jainismus, wandte sich dieser Heilige an den dortigen König Devanampiya Tissa mit den Worten:

O großer König, die Vögel der Lüfte und das Getier der Erde haben ebenso wie du ihr Recht auf die Insel. Sie sind nicht dein Eigentum, aber als König hast du die Aufgabe, Tier und Mensch zu schützen.

Schlage ich nun die Bibel (1. Mose 9, 2 f.) auf, dann lese ich:

Furcht und Schrecken vor euch sei über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was auf dem Erdboden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise.

Wenn ich derartige Bibelsprüche lese, dann überkommt mich ein  Schrecken. Doch der Gedanke, dass es Religionen gibt wie den Buddhismus und Jainismus , die alles Leben und somit auch das der Tiere achten und schützen, ist für mich eine Ermutigung.
b

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Tierethik und Religion : Ahimsa und Jainismus

Das Verhältnis der bei uns vorherrschenden Religionen zur Tierethik ist für alle, die ein Herz für Tiere haben, ein trauriges Kapitel. Umso erfreulicher finde ich, dass es eine Religion gibt, in der Tierethik von zentraler Bedeutung ist, nämlich den Jainismus. Obwohl eine der ältesten Religionen der Welt, ist er in Deutschland bisher  nur wenig bekannt. Was den aus Indien stammenden Jainismus aus meiner Sicht besonders auszeichnet, ist die Tatsache, dass er seit Jahrtausenden eine Ethik lehrt und praktiziert, bei der alle  Lebewesen und somit auch Tiere geschont und geachtet werden. Seine Ethik steht unter dem Leitwort AHIMSA . Dieses Sanskritwort bedeutet Gewaltlosigkeit. Es bezeichnet ein Ideal, das in den indischen Religionen, vor allem aber im Jainismus, tief verankert ist.

Schon lange beschäftigt mich die Frage, inwieweit das hohe ethische Ziel der Gewaltlosigkeit, also die AHIMSA, in unserer Welt verwirklicht werden kann. In diesem Zusammenhang interessiert mich als herausragendes Beispiel der Jainismus. Als ich dazu kürzlich meine Unterlagen durchsah, stieß ich auf ein Info-Blatt, das zu einem Vortrag verteilt wurde. Das Thema des Vortrages, bei dem Tierethik ein Schwerpunkt war, lautete 2800 Jahre Jainismus  – Die Religion der Gewaltlosigkeit (AHIMSA). In diesem Vortrag (von Herbert Becker 1989 in der Volkshochschule Berlin-Steglitz)  wurde der Jainismus als eine Religion vorgestellt, die sich schon vor 2800 Jahren in Indien konsequent für die AHIMSA einsetzte.

Da im Jainismus die AHIMSA selbstverständlich auch Tieren gegenüber gilt, sind die Jainas Vegetarier, viele wahrscheinlich sogar Veganer. Die Einstellung des Jainismus zur Gewaltlosigkeit kommt meiner Meinung nach sehr eindrucksvoll in dem oben erwähnten Info-Blatt zum Ausdruck, denn dort sind aus den Schriften der Jainas Worte zur AHIMSA zitiert:

„Die Ursachen für die Gewalt in der Welt sollten wir nicht außerhalb von uns, sondern in uns selbst suchen.

Dass für alle Wesen Liebe ich empfinde,
Mitgefühl mit denen, die voll Leid auf Erden,
Dass mich stete Nachsicht Irrenden verbinde,
Herr, das wolle geben, Herr, so lass mich werden.

Geradeso wie ich Leid und Furcht empfinde, wenn ich mit einem Stock bedroht, geschlagen oder getötet werde, ja, wenn mir auch nur ein Haar ausgerissen wird – ebenso empfinden alle anderen Lebewesen Leid und Furcht, wenn sie mit einem Stock bedroht, geschlagen oder getötet werden, ja, wenn ihnen auch nur ein Haar
ausgerissen wird. wenn man dies erkannt hat, so steht es fest, dass weder ein höheres noch ein niederes Wesen bedroht, geschlagen oder getötet werden darf.

Ob man Wesen durch eigenes Tun tötet oder sie durch andere töten lässt oder dem zustimmt, der sie tötet – stets fördert man das, was einem feind ist.

Wer das Fleisch anderer Lebewesen isst. dessen Verehrung der AHlMSA ist in Wahrheit scheinheilig. Es ist sehr überraschend, große Reden über Moral, Harmonie und Brüderschaft von denen zu hören, welche die Nöte der stummen Kreatur vergessen und dabei deren Fleisch mit Wohlgeschmack und Zufriedenheit genießen.

Alle Heiligen und Ehrwürdigen in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft, sie alle sagen so: Kein Wesen darf man töten, noch misshandeln, noch beschimpfen, noch verfolgen. Das ist das reine, ewig beständige Religionsgebot, das von den Weisen, die die Welt verstehen, verkündet wird.

Alles als eins mit sich selbst zu sehen – das ist AHIMSA .“

Obige Zitate zeigen, wie sehr der Jainismus mit seinem Bekenntnis zur AHIMSA eine zutiefst ethische Religion ist. Hierbei ist diese Religion in ihrer praktizierten Tierethik sogar noch konsequenter als der ihr nah verwandte Buddhismus. So ist der Jainismus, zumindest was seine in Wort und Tat vertretene Tierethik angeht, im Vergleich zu anderen Religionen unübertroffen und bis heute einmalig. Die von den Jainas in Indien betriebenen bzw. unterstützten Tierkrankenhäuser sind Beweise dafür, dass im Jainismus Tierethik nicht nur eine Theorie und die AHIMSA nicht bloß ein frommer Wunsch ist, sondern Realität.

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